Blatt 2011

Kultur- und Tageszentrum Worms

Auftraggeber: Stadt Worms
Architekten: gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Die zentral auf dem Vorplatz des neuen Kulturzentrums der Stadt Worms aufgestellte Skulptur erscheint wie eine dem Boden entweichende Quecksilberwolke, auf der sich, als befremdliche Störung, ein naturalistisch geformtes Lindenblatt befindet.
Den Ausgangspunkt des Entwurfes bildet die Nibelungensage, die mit der Stadt untrennbar verbunden ist. Siegfried, der tragische Held der Sage, wird durch das Bad im Blut des von ihm erlegten Drachens praktisch unverwundbar. Ein Lindenblatt jedoch, das vom Herbstwind auf Siegfrieds Schulter geweht wird, verhindert den vollkommenen Schutz seines Körpers und markiert fortan die einzige Schwachstelle des Helden, die ihm schließlich, im Zuge einer Intrige, zum Verhängnis wird. Dieses Blatt, ein zunächst unscheinbares Detail der Erzählung, wird zum Katalysator des tragischen Verlaufes der Geschichte, der durch den heimtückischen Mord an Siegfried unwiderruflich in Gang gesetzt wird. Während die schillernde, organisch-technische Skulptur für den mythischen Stoff der Sage stehen kann, der sich eruptiv im Stadtraum Platz verschafft, punktiert das Blatt als konkrete Störung die Perfektion der Skulptur, wie einst den unverwundbaren Körper Siegfrieds. Das Blatt bildet den blinden Fleck auf der ansonsten hermetisch reflektierenden Oberfläche – die geschlossene Form erfährt eine poetische Bruchstelle, an der sich unterschiedlichste Vorstellungen und Projektionen festmachen können.

Fotos: Baatsch-Glaser